¡¡¡Was die Medien nicht zeigen!!!

PH: Martin Palma

Die chilenischen Medien

Ein wahrhaft grosses Problem angesichts der äußerst kritischen Lage Chiles in den letzten Tagen war die Transparenz der Medien. Es ist unvorstellbar wie groß die Macht dieses Mediums ist, wie leicht Menschen manipuliert werden können und wie schnell eine völlig realitätsfremde Version einer Situation dargestellt werden kann, wenn gewisse Informationen fehlen, beziehungsweise so getan wird als existiere diese Information nicht. Beeindruckend wie schnell der Mensch etwas glaubt, sich seine Meinung bildet und gar nicht hinterfragt ob es der Wahrheit entspricht. Obwohl wir im Zeitalter des schnellen Informationsaustausches leben und durch Internet und soziale Medien Beweismittel weitergeleitet werden können, konnte erst in den letzten Tagen durch massiven Druck von Menschenrechtsbewegungen, auch von internationaler Seite, eine zumindest etwas realitätsnähere Berichterstattung der Geschehnisse hier in Chile erzwungen werden. Das geschieht jedoch mehr durch internationale als durch die nationale Presse.
Der folgenden Bericht handelt von den ersten Tagen im Ausnahmezustand mit Ausgangssperre und der Form, wie die Medien darüber berichteten:
 
Am Sonntag morgen in den chilenischen Medien eine Bilanz der ersten Nacht mit Ausgangssperre zu finden, gestaltete sich als relativ schwierig. Dass es zu Auseinandersetzungen gekommen war, war unter anderem aufgrund der allgemeinen Geräuschkulisse der Nacht (Propellerdröhnen der Militärhelikopter, Sirenen der Polizeiautos und Waffenschüssen) völlig klar. Die allgemeine Missbilligung der Verordnung der Ausgangssperre des Präsidenten ist groß, schließlich wurde diese "Massnahme" zum letzten Mal noch unter der Militärdiktatur von Augusto Pinochet getroffen und ruft bei dem Großteil der Chilenen, die die Diktatur miterleben mussten, schlimme Erinnerungen hervor. Es war also nur zu erwarten, dass sich viele Bürger das Recht sich frei zu bewegen auch von einer offiziellen Anordnung nicht nehmen lassen und ihr trotzen würden. Die onehin schon sehr erhitzten Gemüter wurden durch diese Entscheidung noch mehr in Rage versetzt. Und doch gibt es keinerlei Berichterstattung über die Konfrontationen von Militär und Zivilisten von Seiten offizieller Nachrichtensender. Das einzige Bildmaterial, dass von dieser Nacht existiert stammt von Handy- und Videoaufzeichnungen aus dem sozialen Netzwerk, sind jedoch ein eindeutiges Beweis, mit welcher Brutalität das Militär und die Polizeiauch auf friedvolle Situationen und Zivilisten reagiert. Dank der Ära des Internets und der sozialen Medien gibt es zwar die Beweise, aber die Information geriet nicht an die breite Öffentlichkeit, weil die nationalen Fernsehsender davon nichts übertragen haben. Bis zu diesem Moment bezogen sich die veröffentlichten Zahlen ausschließlich auf verwundete Polizisten und auf Festnahmen der Protestanten. Es gab keine einzige offizielle Zahl der verwundeten oder toten Zivilisten verursacht durch Konfrontationen mit der Polizei und dem Militär . Die 3 Toten, die diese Nacht forderte starben laut den nationalen Medien alle in einem Brand.

Das Hauptthema worüber jedoch alle Fernseh und Radiosender den ganzen Tag landesweit berichteten, waren die Plünderungen und Brandstiftungen, die in der Nacht in Santiago und auch in mehreren Regionen stattgefunden hatten und tagsüber vermehrt zunahmen. Betroffen waren vor allem Supermärkte, Apotheken und Tankstellen. Trotz des Einsatzes der vielen Militär und Polizeikräften auf den Strassen konnten diese aber scheinbar nicht verhindert oder kontrolliert werden.
Die Medien lenkten die Aufmerksamkeit bewusst und konkret auf diese Grenzgruppe, meist aus den poblaciones stammend, also sehr armen Vierteln, die ihre Wut mit Vandalismus, Zerstörung und Brandstiftung zum Ausdruck brachten und die Gelegenheit nutzen um sich selbst zu bereichern.  Das Entsetzen über die Plünderungen, der Missmut über den Diebstahl "allgemeinen Eigentums" und die Angst um die persönliche Versorgung und Vorrat, da eine eventuelle Schließung der Supermarktketten angekündigt wurde, machte sich unter einem großen Teil der chilenischen Bevölkerung, die den nationalen Sendern folgen ohne ihre Glaubwürdigkeit zu hinterfragen, augenblicklich breit. An diesem Punkt möchte ich anmerken, dass alle nationalen Fernsehsender Chiles privatisiert sind, und der einzige staatliche Sender ist allgemein dafür bekannt, die Interessen des Präsidenten wiederzuspiegeln. Durch die konzentrierte Berichterstattung zum Thema Schließung der Supermärkte aus Sicherheitsgründen, war die Beunruhigung der Santiaguiner am Sonntag schon zu Mittag so gross, dass ganze Scharen in die zu diesem Zeitpunkt noch geöffneten Geschäfte strömten um sich Lebensmittel für die nächsten Tage zu sichern. Endlose Schlangen bildeten sich auch vor Tankstellen und Bankomaten.
Vom eigentlichen, grundlegenden Problem der sozialen Krise, nämlich den sozialen Forderungen der Bevölkerung, die eindeutig zu lange von der Regierung ignoriert wurden und der durchaus fragwürdigen Konfrontation der Krise von Seiten des Präsidenten und einem Staatskabinett war wenig,  beziehungsweise gar nicht die Rede. Auch dass auf den Straßen Chiles plötzlich wieder das Militär auf und abmarschiert und nicht nur gegen die Plünderer agiert, sondern auch gegen Zivilisten, die weder straffällig handeln noch Widerstand leisten, Gewalt ausübt, wurde nicht erwähnt. 
Und da die chilenischen Medien so sehr mit den Plünderungen beschäftigt waren, wurden auch über die zahlreichen friedvollen Proteste und Menschenansammlungen, die im ganzen Land stattfanden nicht berichtet. In Santiagos Plaza Italia und Plaza Ñuñoa versammelten sich schon ab den Mittagsstunden tausende von Menschen. Schüler, Studenten, Jung und Alt, ganze Familien , aller Alters- und Gesellschaftsgruppen; alle friedlich auf ihre Töpfe trommelnd und mit klarer und lauter Stimme rufend: "Nein zur Repression! Wir wollen kein Militär auf unseren Strassen! Nein zur Gewalt! Dignidad -Wir fordern Würde! Und wir fordern den Rücktritt Piñeras!"
Obwohl der Großteil der Proteste äußerst friedlich abläuft, werden zahlreiche Versammlungen (im ganzen Land) von Polizei und Militär gewaltsam beendet. Teilweise wird Tränengas aus den Helikoptern geworfen und die Wasserwerfer werden nach Belieben eingesetzt: beides geschieht offensichtlich ohne jegliches Kriterium, denn es trifft auch kleine Kinder, Senioren und schwangere Frauen. Es sind erschreckende Bilder, die an einen Kriegsfilm erinnern. Schwer bewaffnete Soldaten marschieren durch die Straßen. Und sie machen auch von ihren Waffen Gebrauch. Es gibt immer mehr Berichte und Aufzeichnungen von Verletzten durch Schusswafen und es gibt auch immer mehr Tote. Aber das zeigen die Medien nicht. Sie rechtfertigen die Gewalt des Militärs in dem sie ausgewählte Bilder von kleinen randalierenden Grenzgruppen übertragen, die nur einen winzigen Bruchteil der Menschenmassen ausmacht, denn der Großteil marschiert friedlich. 
Am Sonntag Nachmittag kündigte General Javier Iturriaga die zweite Ausgangssperre in der Región Metropolitana an, diesmal schon ab 19:00, bei hellichtem Tag. Auch für die Regionen Antofagasta, Valparaiso, Bio Bio y los riós trat diesmal der Toque de queda in Kraft. Um Punkt 19:00 Uhr begaben sich unzählige Bürger auf die Strasse, man hörte den Cacerolazo in der ganzen Stadt, denn die Chilenen wollen nicht weiter ungehört bleiben und es macht sich immer mehr ein kollektiver Zusammenhalt bemerkbar. "El pueblo unido jamás sera vencido ! -Das Volk vereint wird niemals besiegt werden" (Chilenisches Protestlied der Gruppe Quilapayún)
In seiner Abendansprache machte Piñera neuerdings die "organisierte Kriminalität" für die Krise und deren gewaltvollen Charakter verantwortlich, wobei er sich hauptsächlich auf die Plünderungen bezog (Thema über das den ganzen Tag in den Medien berichtet wurde) und versuchte somit den Einsatz jeglicher Mittel "im Kampf gegen die Verteidung der Demokratie" zu rechtfertigen.
"Estamos en guerra! Contra un enemigo muy peligroso!- Wir sind im Krieg! Gegen einen sehr gefährlichen Feind!" sagte er und brachte damit das Fass endgültig zum Überlaufen.

Von der zweiten Nacht mit Ausgangssperre gibt es wiederum so gut wie keine Berichte in den Medien. Aber in den unabhängigen Medien im Internet erscheinen Unmengen an Aufnahmen, die Menschen von ihren Häusern aus aufgenommen haben. Es ist kaum zu glauben, aber die Aufnahmen zeigen es deutlich: Gewalt, Misshandlung, Folter und Machtausübung. Die Spezialkräfte reagieren immer brutaler, die Bevölkerung wird immer zorniger über die Hilflosigkeit der sie ausgeliefert ist.


#NOESTAMOSENGUERRA #WIRSINDNICHTIMKRIEG

Und das Volk sagt NEIN! Wir sind NICHT im Krieg!
Im ganzen Land würden am Montag 43 verschiedene Proteste gezählt, alleine im Zentrum Santiagos gingen mehr als 130.000 Menschen auf die Strasse. Sie appelieren gegen den Präsidenten, gegen Gewalt, Krieg, und gegen das Militär auf den Strassen. Chile will eine Veränderung. Chile braucht eine Veränderung! Und Chile scheint die Angst verloren zu haben! Die Angst die das Land seit dem Beginn der Diktatur 1973 bis jetzt paralysiert hatte. Jetzt stehen die Menschen neuerdings der Repression gegenüber, allerdings leisten sie diesmal Widerstand. Ein Widerstand mit Töpfen in der Hand und Victor Jaras´"El derecho de vivir en paz" - "Das Recht in Frieden zu leben" singend, mittlerweile die Hymne der Bewegung, die jeden abend um 20:00 aus tausenden von Häusern klingt,
Graduell steigt leider auch die Gewalt mit der die Versammlungen niedergeschlagen werden. Tränengas, Wasserwerfer, Schusswaffen. Die offiziellen Zahlen sprechen momentan von 15 Toten,  89 Verletzten durch Schusswaffen,  1420 Personen festgenommen und eine unbekannte Nummer an Vermissten. Die nationalen Medien können nicht mehr wegschauen, endlich wird über die gewaltsame Vorgehensweise der Polizei und des Militärs gesprochen. Menschenrechtsorganisationen sind aufmerksam geworden und auch international hat man ein Auge auf Chile geworfen, nichts desto trotz kommt viele Information nicht durch. 


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 PH: Martin Palma






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